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Update: 12-JUN-2001
Content zum Nulltarif?

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NEWS-TRACKER

Herbeigerede: Content soll sich wieder lohnen
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Kaum hat das böse Erwachen stattgefunden, springt die Industrie schon wieder siegesgewiss aus dem Krankenbett. Gerade erst haben die Apologeten der New Economy begreifen müssen, dass der Werbekuchen, mit dem sie die Backförmchen für ihre blinkenden Websites füllen wollten, nicht annähernd all jene Meetoos, Dooyoos and Yahoos sattmachen kann, da wird ein neuer Ausweg aus dem Hut gezaubert, der alle Münder stopfen soll: Bezahlte Inhalte, wieder mal, genial!

Tageszeitungen sollen ihre Inhalte im Internet nur noch gegen Gebühren anbieten, sagt jetzt auch Hans-Wolfgang Pfeifer, der Aufsichtsratsvorsitzende der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und am liebsten wäre es ihm, wenn das Internetangebot FAZ.NET bereits kostenpflichtig wäre.

Pfeifer ist nicht alleine: Auch der neue T-Online-Chef Thomas Holtrop hat angekündigt, künftig kostenpflichtige Inhalte zu produzieren. Und im Zentrum des Internets, in den USA, spielen die Medienhäuser Payment-Modelle durch, wenn sie nicht gerade wieder Mitarbeiter feuern, die neuesten Opfer ihres Missmanagements.

Muss der Internet-Surfer, dessen einzige finanzielle Sorge bisher die Zugangskosten waren, also in Zukunft Angst um seine Geldbörse haben? Wohl kaum. Denn ständiges Herbeireden bringt FAZ, T-Online und Co. den Portemonnaies der Surfer auch nicht näher. Was bisher umsonst war, soll plötzlich kostenpflichtig werden – bei dieser Logik stellen sich einem die Haare zu Berge.

Vielleicht lassen sich die Handy-Yuppys irgendwann in der UTMS-Zukunft ja tatsächlich das mobile Internet für Cash andrehen. Vielleicht sollte man sich aber auch Leo Kirchs Pay TV als mahnendes Beispiel vor Augen halten: Nicht nur, dass PremiereMiese macht, weil die Abozahlen stagnieren. Auch das Werbeumfeld stimmt nicht. Kein Wunder, dass die Automobilhersteller der Formel 1 Sturm liefen, als Kirch die Übertragungsrechte übernahm: In seinem Bezahlfernsehen würden die Rennen praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden; der Rückzug von Sponsoren und Werbegeldern wäre die unmittelbare Folge.

Auch im Internet, wo die Werbeeinblendungen durch Klicks messbar sind, hieße eine Beschneidung der Nutzerzahlen, die ein bezahltes Angebot zwangsläufig nach sich zöge, Verzicht auf Anzeigeneinnahmen. Diesen Verlust – stagnierende Werbeerlöse hin oder her – müssten Online-Abonnements oder Pay-for-Click-Modelle erst einmal einspielen.

Bleibt das Internet also ein Billigmeier-Medium? Vermutlich schon –solange nämlich, wie es zu wenig Content gibt, der es wirklich wert ist, bezahlt zu werden. Und zu viel Content, der bereits entwertet ist, weil er nicht bezahlt werden muss. Tageszeitungen, die ihre Inhalte über Jahre hinweg kostenlos ins Web stellen, brauchen sich jedenfalls nicht zu wundern, wenn User in Umfragen erklären, dass sie dafür nichts zahlen würden.

Die Entwertung von Content spielt sich aber noch auf einer ganz anderen Ebene ab. Dort nämlich, wo Verlage und Medienhäuser gedruckte Artikel oder Bilder im Netz zweitverwerten, ohne dass der Urheber, also der Autor oder Fotograf, dafür noch einmal entlohnt wird. Die wahren Billigmeier sind also die Verleger und Medienmogule, die ihre Online-Präsenzen jahrelang nur als Werbeverhikel betrachtet haben.

Hier schließt sich der Kreis: Wer das Internet nicht ernsthaft als Publikationsmedium anerkannt, kann mit Inhalten auch kein Geld verdienen. Wer aber damit Geld verdienen will, muss für Inhalte angemessen bezahlen. (05-APR-2001)
2001-06-11 FAZ-Aufsichtsrat: Medieninhalte sollen auch im Netz Geld kosten (Horizont Newsline)

Bild, T-Online und die Inhaltsarmut des Internet
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T-Online will, seitdem das Providergeschäft der AG hässliche rote Zahlen beschert hat, ganz woanders hin: zum "Internet-Medienhaus" nämlich. Das hat es Telekom-Chef Ron Sommer vor zwei Wochen anlässlich der Vorstellung der Partnerschaft mit dem ZDF verlauten lassen.

Prompt haben sich nach der Verkündung der Elefantenhochzeit mit Springers künftiger Online-Version der Bildzeitung so ganz adhoc ein paar Analysten gefunden, die T-Online ob dieser News zwar nicht zum Medienhaus, aber doch zum "Outperformer" kürten. Doch "out" ist allein der Traum von der Erneuerungskraft des Internet: statt publizistischer Vielfalt und Innovation wird der Rückgriff auf Marken der alten Medien gefeiert.

So steht dieser Millionendeal, dessen absolutes Finanzvolumen vom beiden Seiten nicht beziffert wurde, symptomatisch dafür, wie sich die Medienbranche - die großen Konzerne zumal - das Web aneignen. Nur zu wissen, wie man Content buchstabiert, reicht allerdings nicht aus, um inhaltliche Kompetenz zu beweisen. Entsprechend eintönig sieht die Online-Landschaft aus.

Die Zahl der Websites, die über automatisierte Newsticker und Miniatur-Redaktionen hinaus adäquat aufbereitete oder gar eigenständige Inhalte online anbieten, ist leicht zu überschauen. Die New Economy hat bei all dem Hype vergessen, dass der Raum zwischen den Werbe-Bannern auch noch gefüllt werden muss. Nun, da ihr das Geld ausgegangen ist, gibt sie erst recht keinen Pfifferling mehr auf intelligente Inhalte.

Selbst große Konzerne wie der Springer-Verlag müssen rechnen, was ihnen das Online-Engagement wert ist. Nicht umsonst machte im vergangenen Jahr der Begriff "Content Syndication" die Runde - sprich: die Mehrfach-Vermarktung der eigenen Archive und Dienste. Wie gesagt: mit Vielfalt hat das nichts mehr zu tun.

Was das neue Joint Venture bild.de-T-Online inhaltlich bieten wird, bleibt abzuwarten. Das scheint - beobachtet man die Nachrichtenlage nach der detailarmen Pressekonferenz - ohnehin niemanden zu interessieren. Die Süddeutsche Zeitung witterte immerhin politischen Zündstoff: "Ein Unternehmen mit dem Bund als Hauptaktionär in Kooperation mit einem Tendenzbetrieb wie dem Springer-Verlag, das wirft zumindest Fragen auf." Zumal Bundeskanzler Gerhard Schröder jüngst auf Konfrontationskurs zur Bild gegangen war.

Fraglich ist auch noch, ob die geplante 37-Prozent-Beteiligung der Telekom-Tochter vor den Kartellbehörden Gnade findet, da Springer seinen neuen Partner angeblich auch mit anderen Inhalten bevorzugt bedienen will. Deutschlands größtes Zeitungshaus dürfte von der neuen Konstellation in erster Linie profitieren: Mit seinen 14 Millionen Abonnenten bietet der größte deutsche Provider gewiss eine wirtschaftlich interessante Plattform.

Und sonst? Nachdem Springer bisher in Sachen Internet nicht besonders originell agierte und mit Bild online eine vornehmlich aus Sex-Bildchen, Skandälchen und Sport angerührte Mischung kredenzt hat, die nicht der Rede wert ist, werkelt ein Entwicklungsteam um den ehemaligen Chefredakteur Udo Röbel bereits seit Monaten am neuen Auftritt des Boulevardblattes. "Aufwändige Formate mit starkem Unterhaltungs-Charakter" hat T-Online-Chef Thomas Holtrop jetzt angekündigt. Wir können es kaum erwarten. (05-APR-2001)
2001-04-05 Schöne neue Medienwelt (Süddeutsche Zeitung)
2001-04-05 Annäherung im Internet (Süddeutsche Zeitung)
2001-04-04 T-Online und Bild.de trauen sich (Spiegel Online)

T-Online spricht von Inhalten und kopiert TV
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T-Online will sich künftig als "Internet-Medienhaus" profilieren, verstärkt auf Content setzen und die Nutzer für spezielle Angebote zur Kasse bieten, nachdem die Konzentration auf das angestammte Provider-Geschäft mit der im Januar eingestampften Flatrate der Telekom-Tochter rote Zahlen beschert hatte.

Der neue Vorstandschef, Thomas Holtrop, sagte auf einer Pressekonferenz in Berlin außerdem, dass eine exklusive Inhalte-Partnerschaft etwa mit der Kirch-Gruppe nicht geplant sei.

Was T-Online unter "Inhalten" versteht, ist freilich wenig originell: Prominente wie die Popsänger Sasha, die Rockgruppe Echt und Altstar Udo Lindenberg sollen unter dem Motto "Follow your Star" mehrere Stunden am Tag im Internet begleitet werden. Big Brother und die Doku Soaps, zwei Formate, die im konventionellen Fernsehen schon wieder auf dem abteigenden Ast befinden, lassen grüßen. (13-MAR-2001)
2001-03-12 Analysten finden neue T-Online-Strategie "zu zahm" (Süddeutsche.de/dpa)

Online-Werbung noch größer und bunter
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Internet-Werbung wird künftig noch mehr Raum auf kommerziellen Webseiten beanspruchen als bisher. Das Internet Advertising Bureau (IAB) in den USA hat sieben neue Formate für Online-Banner-Werbung verabschiedet. Sie sollen sich als neue Standards durchsetzen.

Fünf von ihnen sind horizontal, zwei folgen dem neuen Trend der vertikal (in Spalten) angeordneten Werbetafeln. Die neuen Formate sind nicht nur den Abmessungen, sondern auch der Dateigröße nach umfangreicher und werden damit die Downloadzeiten der Seiten verlängern.

Waren bisher GIF-Animationen das höchste der Gefühle, so sind nun auch Flash-Filmchen und Video-Streams vorgesehen. Bei CNET kann man sich bereits einen Eindruck von der schönen, neuen Werbewelt verschaffen. Der Informations-Dienst führte im Januar große Werbeflächen inmitten seiner Artikel ein, die wie eine Seite in der Seite klickbar sind, ohne dass der Surfer deshalb die CNET-Website verlassen würde.

Während sich Online-Verleger und Werber durch die neuen Standards höhere Einnahmen versprechen, gibt es in der Industrie auch kritische Stimmen. So mahnte Denise Garcia, Research-Direktorin für Online-Werbung bei der Gartner Group, die Nutzer könnten sich durch die größeren Anzeigen belästigt fühlen. Garcias messerscharfe Folgerung: „In Zukunft werden Nutzer möglicherweise für Content bezahlen, um die großen Anzeigen zu vermeiden.“ (28-FEB-2001)
2001-02-27 Now a Big Word From Our Sponsor (Wired News)

Stellenabbau in den USA - in Deutschland nichts abzubauen
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Die Nachrichtenlage zum Thema Online-Medien ist trüb: Allein in der ersten Januarwoche des neuen Jahres kündigten zwei große Unternehmen einen massiven Abbau ihrer Online-Ventures an: Rupert Murdochs News Corp. gab die Schließung ihrer 1997 gegründeten Tochter News Digital Media mit über 200 Beschäftigten bekannt - in Zukunft müssen sich die Websites von Murdochs Fox-Network ihre Inhalte selbst zusammenschustern. Und selbst die "Gray Lady" New York Times will bei ihrer Digital-Division 69 Abgestellte, etwa 17 Prozent der Belegschaft, entlassen, um sechs Millionen US-Dollar einzusparen.

Die ersten neun Monate in der Jahresbilanz 2000 von New York Times Digital, wie sich die Online-Division des Verlagshauses nennt, spiegeln das typische Bild der Internet-Ökonomie: rasant steigende Gewinne, aber noch rasanter wachsende Verluste - die schwarzen Zahlen stiegen von 15 Millionen Dollar im selben Zeitraum 1999 auf 37,2 Millionen, die roten jedoch von 17,8 auf 46,2 Millionen.

Hauptgrund für die Probleme auf der anderen Seite des Atlantiks ist, dass die starke personelle Aufrüstung des Onlinesektors, von dem auch viele Journalisten profitierten, die Einnahmen aus Bannern und anderen Werbeformen weit hinter sich gelassen hat. Zur Zeit stagnieren die Zuwachsraten auf dem Anzeigenmarkt sogar - nicht nur online, sondern auch bei Printmedien. Das ist umso gravierender, als ein Unternehmen wie die digitale Times 90 Prozent seiner Einnahmen aus der Werbung bezieht. Zwar stehen einzelne Sektionen der Website nur zahlenden Abonnenten offen, doch die meisten Seiten muss die Times wie auch ihre Mitbewerber kostenfrei zugänglich machen.

News Corp. und die Times sind nur zwei Beispiele für die Finanzierungskrise des Online-Content. Der Industry Standard, ein Fachmagazin für die IT-Branche, lässt seit 1999 einen Layoff Tracker laufen, der tagesaktuell die Zahl der abgebauten Stellen mitteilt. Die makabre Pointe: Am 8. Januar durfte sich der Standard mit 36 Gefeuerten (sieben Prozent seines Online-Stabes) selbst in das Zahlenwerk eintragen.

Wird der Online-Stellenabbau in den USA auch auf Deutschland übergreifen? Experten sagen nein - allein deshalb, weil es hierzulande ohnehin nicht viel abzubauen gibt. Die meisten Online-Sites arbeiten mit geringstmöglichem Personal. Wie in den USA langen die Werbeeinnahmen allerdings nicht zur Finanzierung guten Contents. Beispiel: In die neue Online-Bild will Chef Udo Röbel 100 Millionen Mark buttern - ein Drittel dessen, was insgesamt in Deutschland 2000 mit Internet-Werbung umgesetzt wurde.

Wie also kann sich ein Online-Engagement, das nach Branchenprognosen erst 2010 Gewinne verspricht, rechnen? Große Verlagshäuser setzen auf ein Cross-Media-Konzept: Der gewinnbringende Print- und der zukunftsträchtige, aber mittelfristig defizitäre Online-Bereich sollen sich gegenseitig stützen und ergänzen. Mit anderen Worten: Es muss weiter zugebuttert werden. (17-JAN-2001)
17-JAN-2001 Der Weg ist weit, Gringos! (Süddeutsche Zeitung)
12-JAN-2001 Online News Frenzy Is Fizzling (Wired News)
07-JAN-2001 New York Times Digital to Cut 69 Jobs (Industry Standard)

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